Handle mutig mit Haltung – 24 Stunden gelebte Zukunft auf dem Haidehof
#01 24h Unconference Regeneratives Wirtschaften 1./2. Oktober 2025 auf dem Gut Haidehof
Autor: Sebastian Fittko
Der Morgen war klar, die Luft kühl, der Himmel weit. Ein dünner Raureif lag auf den Wiesen, Nebel schwebte über den Feldern, das Laub der Bäume begann sich in Gelb und Rot zu färben. Zwei Herbsttage im Oktober, wie man sie sich nicht besser wünschen konnte – still und voller Kraft.
Wer den Haidehof an diesem 1. Oktober betrat, spürte es sofort: Hier ging es nicht um ein Business-Event, sondern um Begegnung und Beziehung. Um einen Raum, der getragen war von Wärme, Vertrauen und der Ahnung, dass etwas Neues wachsen könnte.
Schon beim Ankommen lag eine besondere Energie in der Luft – eine Mischung aus Vorfreude, Neugier und Aufbruch.









Viele, die hier zusammenkamen, hatten folgende Fragen schon länger mit sich getragen:
Wie kann Wirtschaft wieder mit dem Leben verbunden werden?
Wie gelingt Regeneration – nicht als Konzept, sondern als Kultur?
Rund sechzig Menschen kamen an diesem Wochenende zusammen: Unternehmer:innen, Investor:innen, Landwirt:innen, Enabler, Studierende und junge Führungskräfte.
Eingeladen von der Initiative Regenerative Marktwirtschaft (IRM) und dem Gut Haidehof, initiiert und kuratiert von Susanne Preiss, Julia Ledermann und Sebastian Fittko, ermöglicht durch Florian und Moritz Weischer von Weischer – und getragen von diesem besonderen Ort selbst: einem Hof als lebendiges Lehrstück für Kreisläufe, Energie und Gemeinschaft.
Unterstützt wurde die Unconference vom GLS Werkraum – und begleitet vom vielleicht ehrlichsten Wachmacher dieser Tage: dem regenerativen True-Cost-Kaffee von TRUESDAY, der die tatsächlichen Kosten seines Anbaus offenlegt und so zum Symbol dieser Bewegung wurde – für Transparenz, Verantwortung und die Bereitschaft, Dinge beim wahren Wert zu nennen.
Ein Raum ohne Plan
„Wir leben in einer Zeit, in der altes Wirtschaften an seine Grenzen kommt. Gleichzeitig wächst überall Neues.“
Dieser Satz aus der Einladung war keine Floskel, sondern Haltung. Und er bildete den Kern eines Experiments: einer Veranstaltung ohne Agenda, ohne geplante Vorträge, ohne Bühne. Statt Vorgaben gab es Raum – einen bewusst offenen Rahmen, in dem entstehen konnte, was gebraucht wurde, in Echtzeit, aus dem Moment heraus. Wie in einem Ökosystem ging es nicht um Kontrolle, sondern um Beziehung; nicht um Planung, sondern um Muster, die sich aus Resonanz ergeben.
Von Beginn an war spürbar, dass hier etwas anderes geschah als auf einer typischen Konferenz. Nur Vornamen, keine Unternehmen, keine Rollen. Kein Business, keine angeleiteten Sessions, keine Hierarchien der Redezeit. Stattdessen Begegnungen auf Augenhöhe – getragen von Vertrauen, Offenheit und einer fast überraschenden Selbstverständlichkeit. Das Organisationsteam und die Teilnehmenden bewegten sich in einem natürlichen Flow. Die Themen entstanden nicht nach Plan, sondern aus dem, was Resonanz fand: aus Interesse, aus Energie, aus dem, was gerade werden wollte.
„Vielleicht ist genau das – dieser gelebte Raum, diese Form von Führung, die zuhört, Raum hält und Spannung aushält – einer der wertvollsten Beiträge zur regenerativen Wirtschaft“, bemerkte eine Teilnehmerin.
„Denn hier entstehen Gespräche, die auf Konferenzen gar nicht möglich wären.“
Tag 1 – Energie, Schwere und Verbundenheit
Der erste Tag begann gegen 16 Uhr – mit Sonne, klarer Luft und diesem besonderen Licht, das der Oktober nur für kurze Zeit kennt. Über den Feldern lag noch die Wärme des Tages, das Laub der Bäume begann zu leuchten, und auf dem Hof herrschte jene gespannte Ruhe, die entsteht, wenn sich Menschen mit offenem Herzen begegnen.
Von der ersten Minute an war spürbar: Hier entsteht kein weiteres Treffen, sondern ein Raum. Ein Raum, in dem Menschen sich begegnen können, ohne Rolle, ohne Maske, ohne fertige Antworten. Eine Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen – natürlich, selbstverständlich, fast vertraut, als wäre sie schon immer da gewesen.
Im Rahmen des Willkommens stellten Susanne Preiss, Julia Ledermann und Sebastian Fittko die Idee und Haltung der Initiative vor. Keine Präsentation im klassischen Sinn, er begann mit einer Geschichte. Er erzählte von einem Spaziergang mit seiner siebenjährigen Tochter Clara, die unterwegs sagte:
„Wir Menschen sind im Team mit der Natur. Wir brauchen die Luft, die die Bäume machen – und die Bäume brauchen unsere. Wir sind ein Team!“
Ein Satz, so schlicht und zugleich so klar, dass er den Kern dieser 24 Stunden traf. Kein Schlagwort, keine Theorie – eine Wahrheit, die jeder Körper versteht. Claras Gedanke wurde zum stillen Leitmotiv des Abends: Wir sind Teil desselben Systems, nicht seine Herren.
Diese Haltung – Wir sind ein Team mit dem Leben selbst – ist der Herzschlag der IRM. Ihr Leitbild beschreibt Wirtschaft als ein lebendiges Geflecht aus Beziehungen, in dem das Ökologische, Soziale, Kulturelle und Ökonomische einander nähren. Und im Zentrum all dessen steht – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – der Boden.
Der Boden ist die gemeinsame Basis. Er trägt das Leben, er nährt es, er speichert Erinnerung und Potenzial. Er ist das, was Verbindung möglich macht – zwischen Mensch und Natur, Idee und Praxis, Gestaltung und Gewachsenem. Und wie der Boden, so braucht auch jede Transformation Zeit, Pflege und Vertrauen, um das Lebendige hervorzubringen.
Am Ende des Willkommens schlugen die drei Vorstände der IRM, Sebastian, Thomas und Gregor, gemeinsam die „8 Thesen einer Regenerativen Marktwirtschaft“ an – nicht als Manifest, sondern als Einladung. Ein symbolischer Akt, der Orientierung gab und zugleich öffnete: Hier beginnt etwas, das wir gemeinsam gestalten. Die Thesen sind Ausdruck dieses Leitbildes – einer Wirtschaft, die Kreisläufe achtet, Vielfalt fördert und Lebendigkeit als Grundlage von Wohlstand versteht.
→ Artikel zu den 8 Thesen lesen
Im weiteren Verlauf des Abends verdichteten sich die Gespräche. Manche standen draußen auf dem Hof, unter den alten Bäumen oder im Licht der Remise, andere im ehemaligen Stall, der sich in einen Begegnungsraum verwandelt hatte. Es ging um das, was viele umtreibt: Wie lässt sich regenerative Haltung in Organisationen übersetzen? Wie kann Führung aussehen, die Raum hält, statt Kontrolle auszuüben? Und wie gelingt Finanzierung, ohne den Sinn des Ganzen zu verraten?
Die Gespräche waren getragen von Aufmerksamkeit, Neugier und Stille. Niemand sprach über Konzepte, alle sprachen über Leben. Es war spürbar: Hier ging es nicht um das Definieren von Zukunft, sondern um das gemeinsame Erleben von Gegenwart – um das Wiederfinden des Bodens unter den eigenen Füßen.
Später bereitete das Team des Haidehofs ein Abendessen aus hofeigenem Gemüse und Fleisch zu. Der Duft von Feuer, Brot und gebratenem Wurzelgemüse füllte den Raum. Es wurde gegessen, gelacht, nachgedacht. Kein festliches Menü, sondern eine Mahlzeit, die Nähe stiftete – schlicht, ehrlich, von hier.









Beim anschließenden Abwasch verschwanden die letzten Rollen. Zwischen Dampf, Wasser und Stimmen entstand jene besondere Form von Stille, die nichts fordert und alles erlaubt. Hier, im scheinbar Alltäglichen, zeigte sich, was regenerative Kultur im Kern bedeutet: das Selbstverständliche wieder gemeinsam tun. Ein Teller, eine Geste, ein Blick – nichts davon geplant, und doch alles genau richtig.
Tag 2 – Lernen vom Boden
Der zweite Tag begann früh. 7:30 Uhr, Raureif auf den Gräsern, die Sonne stieg langsam über die Felder. Die Luft war klar, die Stille dicht. Ein neuer Tag, frisch und zugleich vertraut, als würde das Land selbst atmen. Hannes Höhne, Landwirt und Mitgestalter des Haidehofs, führte uns über den Hof – vom Lager über die Wasch- und Sortierstationen hinaus auf die Äcker. Dort, wo das Leben beginnt, wurde Regeneration sichtbar. Kein Pflügen, keine nackte Erde, sondern Schutz, Mulch, Vielfalt. Die Flächen waren bedeckt, der Boden lebendig, voller Struktur, voller Mikroorganismen, die das Unsichtbare tragen. Rinder und Hühner zogen in Rotationsweide über das Land, folgten einem Rhythmus, der älter ist als die Landwirtschaft selbst – ein Kreislauf aus Füttern, Düngen, Nähren. Die Natur als Partnerin, nicht als Ressource.
Hannes sprach ruhig, geerdet, mit jener Klarheit, die aus täglicher Praxis wächst. „Regenerative Landwirtschaft ist keine einfache Sache“, sagte er.
„Die Bürokratie ist hoch, das Misstrauen gegenüber neuen Wegen groß, und die Finanzierung bleibt eine Herausforderung. Aber sie ist der einzige Weg, wie Landwirtschaft wieder Sinn macht.“
Dann folgte ein Satz, fast beiläufig, aber wie ein leises Fundament unter allem:
„Vielleicht beginnt Regeneration nicht auf globalen Gipfeln, sondern mit etwas viel Einfacherem – mit den Händen im Boden.“
Und während er sprach, war spürbar, dass es dabei nicht nur um Ackerbau ging, sondern um Haltung – um ein anderes Verhältnis zum Leben selbst. Der Boden war das eigentliche Thema dieser Tage: als physische Grundlage und als Metapher für Beziehung, Geduld, Verwurzelung. Er war nicht Kulisse, sondern Lehrer.






Nach dieser Führung – nach dieser Erfahrung mit den Händen, den Augen, den Füßen im Gras – wurde klar, warum diese Veranstaltung Unconference heißt. Bei großartigen Teilnehmer:innen braucht es kein Programm. Das Programm entsteht aus ihnen. Es entsteht aus den Gesprächen, den Resonanzen, den Themen, die sich zeigen, wenn man sie lässt. Und so bildete sich auch dieser Tag ganz von selbst: Wer ein Thema hatte, schrieb es auf eine Karte, hängte sie an das Workshop-Board, lud andere ein, mitzudenken, mitzuspüren, mitzuhandeln. Kein Moderator, kein Ablaufplan, keine Struktur von außen – nur die Bereitschaft, sich einzulassen, und das Vertrauen, dass das, was entstehen will, auch entstehen darf.
Neue Erzählungen, echtes Wachstum durch regenerative Potenzialentfaltung
Zurück vom Acker, hinein in den alten Kuhstall, der noch nach Erde, Holz und gelebtem Leben roch. Stille. Kaffee, Tee, ein tiefer Atemzug. Man spürte: Das, was draußen erfahren worden war, brauchte jetzt Sprache – nicht die Sprache der Zahlen, sondern die des Sinns. Sebastian öffnete den Blick für den größeren Zusammenhang. Er sprach von Wohlstand – einem Wort, das wir zu lange mit finanziellem und materiellem Besitz verwechselt haben, gefangen im scheinbar unhinterfragbaren Imperativ des ständigen Zuwachses, ohne den Wohlstand nichts mehr zu sein scheint. Was bedeutet Wohlstand für dich? fragte er. Was nährt dich – und was willst du wachsen sehen?
Aus diesen Fragen spannte sich ein weiter Bogen: von der extraktiven, externalisierenden Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft, die Lebendigkeit als Quelle der Wertschöpfung versteht. Nicht De-Growth, sondern Re-Growth. Nicht Verzicht, sondern Potenzialentfaltung. Nicht De-Industrialisierung, sondern Re-Industrialisierung – mit neuen, lebensdienlichen Zielen. Nicht weniger Wirtschaft, sondern eine andere Wirtschaft. Eine, die das Leben selbst ernst nimmt und das Gute, Wahre und Schöne wieder in ihre Bilanz aufnimmt.
Sebastian sprach über das, was er den Multi-Kapital-Ansatz nennt – acht Formen von Kapital, die gemeinsam ein neues Verständnis von Wohlstand bilden: ökologisch, sozial, kulturell, intellektuell, spirituell, materiell, erfahrungsbasiert und finanziell. Wohlstand, so wurde deutlich, entsteht nicht durch das Maximieren einer einzelnen Form, sondern durch das lebendige Gleichgewicht zwischen ihnen. Erst wenn wir aufhören, nur das Finanzielle zu messen, und beginnen, das Lebendige zu zählen, entsteht wirkliche Wertschöpfung – und mit ihr ein Wohlstand, der nicht zukünftigen Wohlstand zerstört, sondern auch künftigen Generationen dient.
In diesem Moment wurde spürbar, dass es nicht um Verzicht geht, sondern um Bewusstsein. Nicht um weniger, sondern um anders. „Re-Growth statt De-Growth“, sagte Sebastian. „Nicht weniger, sondern anders. Nicht Schrumpfen, sondern Reifen.“ Wachstum nicht als Anhäufung, sondern als Entfaltung. Nicht als Zuwachs an Dingen, sondern als Zunahme an Lebendigkeit.
Eine Teilnehmerin griff den Gedanken auf und fasste ihn in ein neues Bild: Lasst uns regenerative Orte investierbar machen – Orte so gestalten, dass sie investierbar werden, nicht weil sie Profit versprechen, sondern weil sie Lebendigkeit hervorbringen; so wie der Haidehof. Es war, als würde der Gedanke der regenerativen Wirtschaft in diesem Moment Wurzeln schlagen – als würde er vom Abstrakten ins Konkrete, vom Denken ins Handeln übergehen. Doch solche Orte entstehen nicht zufällig. Es braucht einen Familienunternehmer, der den Mut und den Willen hat, einen Ort der Regeneration wirklich anzugehen – und ein Team, das diesen Willen mit Neugier, Lernfreude und Offenheit in die Praxis übersetzt. Genau das geschieht hier, auf dem Haidehof: Regeneration nicht als Konzept, sondern als gelebte Haltung.
In der anschließenden Diskussion verdichteten sich die Gedanken zu einem neuen Narrativ: Regenerative Wirtschaft ist keine moralische Korrektur des Alten, sondern eine andere Geschichte von Wachstum. Eine, die Identität stiftet und Mut zum Handeln macht. Eine Wirtschaft, die nicht auf Verzicht gründet, sondern auf Entfaltung.
Unconference: Räume statt Programme
Drei Runden mit jeweils bis zu fünf parallelen Sessions füllten den Hof – unter den Bäumen, in der Remise, auf Holzbänken, in der Sonne, auf dem Boden. Es war, als hätte der Ort selbst die Gespräche gelenkt.
Die Themen, die aufkamen, waren so vielfältig wie die Menschen, die sie einbrachten – und doch verbunden durch einen gemeinsamen Kern: die Suche nach Wegen, das Lebendige wieder zum Maßstab des Wirtschaftens zu machen.
Es ging um Wertschöpfung, die mehr misst als Ertrag. Wie lässt sich Regeneration rechnen, ohne sie auf Zahlen zu reduzieren? Wie entsteht eine Landwirtschaft, die ökologisch, sozial und kulturell trägt – die sich finanziell rechnet und die Regenerationsfähigkeit selbst zum Einkommensfaktor macht?
Es ging um Organisation und Führung: Wie gestalten wir Strukturen, deren Kultur auf Vertrauen, Beziehung und Verantwortung gründet? Wie bringen wir Mitmacher:innen an Bord, die nicht warten, sondern handeln wollen?
Es ging um Finanzierung und Systeme: Wie bekommen wir die Natur aufs Balance Sheet – sichtbar als das, was sie ist, Grundlage allen Wirtschaftens und nicht bloß Kulisse?
Und es ging um Herkunft und Zukunft: Wie machen wir mittelständische Familienunternehmen zu Akteuren einer Regenerativen Marktwirtschaft – Unternehmen, die nicht nur erhalten, sondern erneuern; die mutig und mit Haltung den Status quo in Frage stellen und statt Vergangenheit zu verwalten, Zukunft gestalten? So, wie es einst jene Unternehmer:innen taten, die mit Pioniergeist und Verantwortung unser Land aufgebaut haben – nicht durch das Bewahren des Alten, sondern durch die entschlossene Bereitschaft, Neues zu wagen.
Schließlich ging es auch um Kultur und Bildung: Wie könnte ein regeneratives Lernen, Arbeiten und Sein aussehen, das Kopf, Herz und Hand wieder verbindet – und so die Grundlage schafft für das, was wir wirklich meinen, wenn wir von Wachstum sprechen?
Was auf dem Workshop-Board als bunte Zettel begann, wurde auf dem Hof zu einem lebendigen Netzwerk von Gesprächen. Kein Denken in Projekten, sondern in Beziehungen. Keine Diskussion um Zuständigkeiten, sondern um Möglichkeiten. Es ging nicht darum, neue Strukturen zu entwerfen, sondern Räume zu öffnen, in denen sich Lebendigkeit entfalten kann.






Zwischen den Sessions und Resonanzräumen lag eine besondere Ruhe. Keine Eile, kein Druck, kein Bedürfnis, Ergebnisse zu produzieren. Stattdessen ein tiefes Zuhören. Man konnte sehen, wie Menschen innehielten, wie Fragen Raum bekamen, wie Sätze hängen blieben, weil sie getragen waren von Erfahrung. In diesen Momenten entstand etwas, das man nicht planen kann: ein kollektives Bewusstsein, das nicht festhält, sondern verbindet.
Als die Sonne am Nachmittag noch einmal tief stand, lag über dem Hof eine Stille, die nichts Endgültiges hatte – eher die Offenheit eines Anfangs. Vielleicht war das die eigentliche Wirkung dieser Unconference: dass sie kein Ende kennt, sondern einen Prozess markiert. Regeneration, das wurde spürbar, ist kein Ziel, sondern ein Zustand von Beziehung – zum Boden, zum Leben, zu uns selbst.
Weltaufgang
Der Nachmittag klang aus, wie er begonnen hatte: still, offen, getragen. Über dem Hof lag dieses besondere Licht, das Übergänge kennt – nicht als Ende, sondern als Beginn. In den Gesichtern lag Müdigkeit und Energie zugleich, die Ruhe nach einem Tag, an dem Denken und Fühlen ineinandergeflossen waren.
Dann fiel ein Satz von Thomas, leise zuerst, und doch blieb er im Raum:
„Weltaufgang entsteht, wenn sechzig Gestalter zusammenkommen,
die ihre Privilegien, Ressourcen und Regeln nicht als gegeben hinnehmen,
sondern als Treffpunkt zwischen dem Erbe der Vergangenheit
und der Verpflichtung gegenüber der Zukunft verstehen –
und daraus wirksames Handeln für eine regenerative Marktwirtschaft formen.“
Ein Satz, der mehr war als ein Gedanke. Er zeigt Haltung. Er ist Entscheidung.
Denn das, was hier auf dem Haidehof entstand, war kein Treffen von Gleichgesinnten, sondern ein Kreis von Menschen, die bereit waren, das Unfertige zu halten – in sich, im Anderen, im Prozess.
Regenerative Wirtschaft, das zeigte sich in diesen 24 Stunden, wächst nicht aus Konzepten. Sie wächst aus Beziehungen. Aus Vertrauen. Aus der Bereitschaft, zuzuhören. Sie wächst dort, wo Spannung nicht aufgelöst, sondern getragen wird.
Vielleicht ist genau das der Weltaufgang:
Wenn Menschen sich erinnern, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind – und beginnen, danach zu handeln.
Wenn Verantwortung nicht Last, sondern Ausdruck von Lebendigkeit wird.
Wenn Zukunft kein Ziel ist, sondern ein gemeinsamer Weg.
Am Ende dieser 24 Stunden stand kein Ergebnis, sondern eine Einladung.
Eine Entscheidung, die jede und jeder von uns jeden Tag neu trifft: Will ich Teil des Teams Verwalten des Untergangs sein – oder Teil des Teams Weltaufgang?
Wir bei der Initiative Regenerative Marktwirtschaft wissen, wo wir stehen.
Wir sind Team Weltaufgang.
Vom Haben zum Dienen
Denn Regeneration geschieht nicht von allein. Sie braucht Orte. Sie braucht Menschen. Und sie braucht Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereit sind, mehr zu geben, als sie nehmen – um zu bewahren, was uns trägt, und zu erneuern, was Leben möglich macht. So wie der Kompost, der Humus schneller schafft, als er allein in der Natur entstehen könnte.
Lasst uns Kapital in diesem Sinne neu verstehen – nicht als Ziel, sondern als Nährstoff.
Nicht als Besitz, sondern als Potenzial.
Nicht als Mittel zur Anhäufung, sondern als Mittel zur Verwandlung.
Wenn wir Kapital wie Kompost begreifen, dann beginnt Wirtschaft wieder zu leben.
Dann wird aus Wachstum wieder Werden.
Dann wird Geld wieder zu dem, was es einmal war – ein Mittel, das Beziehungen stärkt, statt sie zu zerstören.
Das ist die Einladung.
Lasst uns anfangen, zu kompostieren – mit Haltung, mit Mut, mit Leben.
Ausblick
Was auf dem Haidehof begann, war mehr als eine Zusammenkunft – es war der Beginn einer Bewegung, die weiterwächst. Am 23. Januar 2026 wird in Berlin die nächste große Zusammenkunft der Initiative Regenerative Marktwirtschaft stattfinden. Ob sie wieder als Unconference gestaltet wird oder ein neues Format annimmt, entsteht derzeit im Prozess – gemeinsam mit vielen, die mitdenken, mitgestalten und Verantwortung übernehmen. Der Termin steht, der Rahmen wächst.
Save the date, wenn Du dabei sein möchtest. Wir setzen Dich auf die Liste.
Doch Regeneration geschieht nicht nur in großen Räumen. Sie beginnt im Kleinen – dort, wo Menschen sich begegnen, zuhören, gemeinsam fragen und gestalten. Deshalb laden wir ein, schon jetzt Regenerative Salons ins Leben zu rufen – bei euch vor Ort, in Unternehmen, Werkstätten, Küchen, auf Höfen oder in Ateliers. Die kleinen Schwestern der Unconference: keine Events, sondern Anfänge. Orte für Resonanz, Gespräche und gemeinsames Lernen.
In den kommenden Wochen werden wir mit ausgewählten Weggestalter:innen und Wegermöglicher:innen aus den 15 Regenerativen Salons und der Unconference persönliche Gespräche führen – mit Menschen, die wir als Vordenker:innen und Mitgestalter:innen einer Regenerativen Wirtschaft sehen. Gemeinsam mit der IRM wollen wir das, was auf dem Haidehof angestoßen wurde, mit unternehmerischer Klarheit, Konzentration und einer soliden Basis – auch finanziell – weiterentwickeln und zu einer kraftvollen Bewegung machen.
Wenn du Teil dieser Bewegung sein möchtest – aktiv, unterstützend oder als Förderer, Partner oder Sponsor – melde dich. Denn Regeneration braucht Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, Räume zu öffnen und Wandel möglich zu machen.
Lasst uns diese Bewegung weitertragen – dezentral, mutig, offen.
Lasst uns die Räume schaffen, in denen Weltaufgang Wirklichkeit wird.
Handle mutig mit Haltung.
Es war das Motto dieser 24 Stunden – und zugleich ihre Essenz.
Ein Satz, der leiser, aber größer wurde, je länger man ihn hörte.
Denn dort, wo Menschen Verantwortung neu denken, wo sie Räume halten, Spannungen zulassen
und dem Lebendigen Raum geben – dort beginnt Zukunft.
Leise. Aber unwiderruflich.
Mit regenerativen Grüßen,
der Vorstand der Initiative Regenerative Marktwirtschaft
Sebastian, Thomas und Gregor
Danke
Ein besonderer Dank gilt allen, die diesen Raum möglich gemacht haben – mit Zeit, Vertrauen, Haltung und offenen Händen.
Dem Team des Haidehofs für die Gastfreundschaft, das Essen und den Boden, auf dem alles wachsen konnte.
Susanne Preiss, Julia Ledermann und Sebastian Fittko für die Einladung, das Halten und das Gestalten – gemeinsam mit Diana Krüger und Christina Peters, die mit Klarheit, Ruhe und Präsenz diesen Raum mitgetragen haben.
Florian und Moritz Weischer für das Ermöglichen und das Vertrauen in diesen Ort der Begegnung. Ohne Florian wäre diese Unconference nicht möglich gewesen – er hat nicht nur den Haidehof ermöglicht, sondern damit auch den Raum geschaffen, in dem diese Bewegung sichtbar werden konnte. Danke für Dein Vertrauen – und Deine mutiges Handeln.
Dem GLS Werkraum mit Marc Letzing für die Unterstützung und TRUESDAY für den ehrlichen Kaffee, der wach machte – im besten Sinn.
Ein herzliches Dankeschön an alle helfenden Hände und Köpfe, die diese 24 Stunden getragen haben:
an Katrin Gottschalk für die eindrucksvollen Bilder,
an André Baxmann für noch mehr Bilder,
an das Filmteam von Weischer mit Arian Vöhringer und Tobias,
an Hannes Höhne und das gesamte Farm-Team des Haidehofs,
an die Förderpaten Konrad Fröhlich, Florian Weischer und Konrad Wenzel,
an alle Session-Leads für ihre Impulse
und an die Protokollant:innen, die das Denken und Fühlen dieser 24 Stunden festgehalten haben.
Und schließlich an alle, die gekommen sind – Unternehmer:innen, Landwirt:innen, Investor:innen, Studierende, Enabler und junge Führungskräfte.
Eure Fragen, eure Offenheit, euer Mut, Verantwortung zu übernehmen, haben diesen Ort lebendig gemacht.
Regeneration braucht Menschen, die nicht nur reden, sondern handeln, mutig und mit Haltung.
Danke, dass ihr begonnen habt.