1. Episode der GITA Master Series
Regenerative Wirtschaft: Lehren aus dem World3-Modell und den Grenzen des Wachstums
Wir freuen uns, dass wir durch die Partnerschaft mit der Global Impact Tech Alliance (GITA), über die dreizehnteilige Master Series berichten können. Dabei werden wir über die Vorträge im Kontext der Regenerativen Marktwirtschaft betrachten. Weitere Vorträge im Rahmen der Serie werden von Nate Hagens, Simon Michaux, John Fullerton, Timothee Parrique, Jeremy Lent, Jim Rutt, Jordan Hall, Daniel Christian Wahl, Tyson Yunkaporta, Daniel Schmachtenberger, Kate Raworth und Mariana Bozesan.
Sollte es Interesse an der Teilnahme der Serie geben, dann nehmt gerne mit uns Kontakt auf. Der Kreis der Teilnehmer ist beschränkt.
1. Episode: Gaya Herrington
Der erste Vortrag der GITA Master Series wurde von der niederländischen Ökonometrikerin und Nachhaltigkeitsforscherin Gaya Herrington gehalten.
Gaya war Director of Sustainability Services bei KPMG US und ist derzeit Vice President of Environment, Social and Governance Research bei Schneider Electric. Sie ist Frauenrechtsaktivistin und Mitglied der Transformational Economics Commission des Club of Rome, für die sie auch als Beraterin tätig ist.
Im Jahr 2020 veröffentlichte Gaya einen Artikel mit dem Titel „Update to Limits to Growth: Comparing the World3 Model with Empirical Data“ im Yale Journal of Industrial Ecology. In diesem Artikel analysierte sie, ob eine Neuberechnung der Entwicklungsszenarien des ursprünglichen World3-Modells aus dem Buch „Grenzen des Wachstums“ von 1972 mit aktuellen Datenreihen zu neuen Ergebnissen führt und welche Auswirkungen dies auf zukünftige Prognosen hat. Sie kommt darin zu dem Schluss, dass die Vorhersagen überaus präzise waren und wir uns weiter auf dem vorhergesagten Pfad des Business-as-Usual (BAU) Szenario befinden, welches einen dramatischen Zusammenbruch globalen Bevölkerung prognostiziert.
Weitere Veröffentlichungen sind ihr kürzlich erschienenes Buch "Five Insights for Avoiding Global Collapse" und ihr Beitrag zu dem neuen Buch des Club of Romes "Earth 4 All".
Was können wir von dem 50 Jahre alten Modell aus Grenzen des Wachstum lernen?
Was uns das 50-jährige World3-Modell über eine nachhaltige Zukunft lehrt
Gayas Vortrag bei der Master Series hatte den Titel „What Studying a 50-Year-Old World Model Taught Me about a Path Forward for Us Today“. Er beantwortete Fragen, die der Club of Rome bei seiner Gründung im Jahr 1968 zu den Problemen der Menschheit stellte. Dabei ging es um den Zusammenhang, dass trotz des technologischen Fortschritts und Wohlstands in westlichen Ländern soziale Unruhen, Armut, Konflikte, Umweltverschmutzung und Krankheiten fortlaufen zunahmen. Diese Frage wurde in dem 1972 veröffentlichten Buch „Die Grenzen des Wachstums“ beantwortet, das auf dem Computermodell World3 basierte. Dieses Systemdynamikmodell gilt als Vorläufer des Konzepts der ökologischen Ökonomie und untersuchte die Auswirkungen des industriellen Wachstums auf den Planeten. Die Ergebnisse sagten einen signifikanten Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums und der Weltbevölkerung voraus.
Gaya untersuchte das ursprüngliche World3-Systemdynamikmodell, in dem sich alle Variablen gegenseitig beeinflussen und nur wenig konstant sind, und untersuchte vier verschiedene Szenarien: Business-as-Usual (BAU) und Business-as-Usual 2 (BAU2) mit der doppelten Menge an nicht erneuerbaren Ressourcen im Vergleich zu BAU, Comprehensive Technology (CT) und Stabilized World (SW). Die Szenarien BAU und BAU2 haben sich als nicht nachhaltig erwiesen, da das derzeitige Wohlstandsniveau auf einen steilen Abstieg zusteuert, der durch den Zusammenbruch der ökologischen Systeme und die vollständige Erschöpfung der nicht erneuerbaren Ressourcen ausgelöst wird.
Causal loop diagram of World3. Source: Sverdrup and Ragnarsdóttir (2015)
BAU, BAU2, CT, and SW scenarios of the 2004 LtG book. Source: Meadows et al. (2004).
Das CT-Szenario zeigt die Möglichkeit auf, mithilfe technologischer Innovationen einen totalen Zusammenbruch zu verhindern, auch wenn ein gewisser Rückgang immer noch wahrscheinlich wäre. Dieses Szenario muss jedoch generell als Wunschdenken abgetan werden, da jede größere technologische Innovation wenigstens zehn Jahre benötigt, um ausgereift und wirtschaftlich tragfähig zu werden. Laut Gaya geht es nicht darum, ob wir weiter wachsen, sondern vielmehr darum, ob wir unser derzeitiges Wohlstandsniveau halten oder ob wir zurückgehen.
Und warum sollten wir uns mit dem technologischen Szenario (CT) und dem damit verbundenen geringeren Wohlstandsniveau zufriedengeben, wenn wir ein Szenario der stabilisierten Welt (SW) ein höheres globales Wohlstandsniveau haben können? Warum sollten wir, zum Beispiel, Drohnen einsetzen, um neue Bäume zu pflanzen, wenn wir unsere Wirtschaft auch umstrukturieren könnten, um zu verhindern, dass bestehende Wälder abgeholzt und verbrannt werden?
Für eine stabile Welt ist ein Wandel im System und ein neuer gesellschaftlicher Vertrag erforderlich
Gaya wies auf den wachsenden Wunsch nach Veränderung hin, insbesondere bei den jüngeren Generationen, die einen Systemwechsel fordern. Um eine stabile Welt zu schaffen, die das aktuelle Wohlstandsniveau aufrechterhält, ist es notwendig, den Fokus bewusst von einer konsumorientierten industriellen Produktion hin zu einer Wirtschaft zu verlagern, die das Ziel hat, ein nachhaltiges Leben in Einklang, mit den natürlichen Ökosystemen, zu ermöglichen.
Welches Szenario wollen wir also verfolgen? Um einen positiven Wandel herbeizuführen, müssen die Politiker über die traditionellen (und vermeintlich objektiven) Erfolgskriterien wie das BIP hinausgehen und sich auf Faktoren konzentrieren, die das menschliche Wohlbefinden beeinflussen, einschließlich des natürlichen und sozialen Kapitals. Um diese komplexen gesellschaftlichen Themen angehen zu können, fordert Gaya einen neuen gesellschaftlichen Vertrag, der den Kapitalismus neu auszurichten vermag, damit Menschen, Politik und Wirtschaft an einem Strang, für eine wünschenswerte Zukunft, ziehen können.
Als IRM sehen wir im Kern eines neuen gesellschaftlichen Vertrages die regenerative Marktwirtschaft!
Denn eine regenerative Marktwirtschaft kann dazu beitragen, die Herausforderungen zu bewältigen, die im Kontext der Ergebnisse des World3-Modells und der Fragestellung des Club of Rome stehen. Eine regenerative Marktwirtschaft fußt auf der Prämisse, dass Wohlstand nicht durch den Raubbau an Ressourcen und die Zerstörung der Umwelt erzielt werden sollte, sondern vielmehr durch einen nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen, der darauf abzielt, die Funktion der natürlichen Ökosysteme zu erhalten und das menschliche Wohlbefinden zu fördern.
Eine Regenerative Marktwirtschaft kann die Möglichkeit schaffen, das derzeitige Wohlstandsniveau zu halten (SW Szenario) oder sogar zu erhöhen, indem sie neue Wege des Wirtschaftens fördert, die auf Nachhaltigkeit und Regeneration ausgerichtet sind. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass sie nicht nur wirtschaftlich rentabel sind, sondern auch im Einklang mit den ökologischen Grenzen und den Bedürfnissen der Gesellschaft stehen.
Eine Regenerative Marktwirtschaft fördert auch die Entwicklung von neuen Technologien und Geschäftsmodellen, die darauf abzielen, Ressourcen effizienter zu nutzen und gleichzeitig positive soziale und ökologische Auswirkungen zu erzielen. Unternehmen, die in einer regenerativen Wirtschaft erfolgreich sein wollen, müssen sich auf eine Kreislaufwirtschaft konzentrieren, in der Abfälle als Ressourcen betrachtet und natürliche Ressourcen effizient genutzt werden.
Eine Regenerative Marktwirtschaft setzt auf die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um gemeinsam nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Das erfordert ein Umdenken bei politischen Entscheidungen und eine Abkehr von der reinen Wachstumsorientierung hin zu einer nachhaltigen und regenerativen Wirtschaft.
Regenerative Marktwirtschaft: Ein Weg zur Lösung der Herausforderungen aus dem World3-Modell
Insgesamt kann eine regenerative Marktwirtschaft dazu beitragen, die Probleme anzugehen, die im Kontext der Ergebnisse des World3-Modells und der Fragestellung des Club of Rome stehen. Indem wir uns auf eine nachhaltige und regenerative Wirtschaftsweise konzentrieren, können wir eine Welt schaffen, in der Wohlstand und Wohlbefinden für alle Menschen und den Planeten gleichermaßen das Ziel übergeordnete Ziel unseres Handelns darstellt.
Die nächste Veröffentlichung wird zum zweiten Vortrag im Rahmen des GITA Master Series von Nate Hagens sein.
Quellen:
Gaya's talk at the GITA Master Series:
Herrington, Gaya. 2021. Update to limits to growth: Comparing the world3 model with empirical data. Journal of Industrial Ecology 2021; 25: 614– 626. https:// doi.org/10.1111/jiec.13084
Herrington, Gaya. 2022. Herrington, Gaya. Five Insights for Avoiding Global Collapse. What a 50-Year-Old Model of the World Taught Me About a Way Forward for Us Today https://www.mdpi.com/books/mono/6206-five-insights-for-avoiding-global-collapse
Dixson-Declève, S., Gaffney, O., Ghosh, J., Randers, J., Rockström, J., & Stocknes, P. E. (2022). Earth for all-A survival guide for humanity: a report to the Club of Rome.
Interview with Gaya “Yep, it’s bleak, says expert who tested 1970s end-of-the-world prediction” https://www.theguardian.com/environment/2021/jul/25/gaya-herrington-mit-study- the-limits-to-growth