GITA MasterSeries Episode Nr. 2 – Nate Hagens
Um regenerativ zu Wirtschaften, müssen wir uns der nicht nachhaltigen Realität unseres energieintensiven Lebensstils stellen
Bei der zweiten Episode der GITA Master Serie hatten wir Dr. Nate Hagens, ein amerikanischer Umweltökonom, zu Gast. Nates Vortrag befasste sich mit der Wechselbeziehung zwischen Energie, Technologie und unseren gesellschaftlichen Strukturen und betonte die Unnachhaltigkeit unseres derzeitigen Lebensstils. Wir verbrauchen jedes Jahr mehr Energie, die unsere Erwartungen, Geschichten und unser tägliches Leben bestimmt. In naher Zukunft werden wir jedoch mit immer weniger verfügbarer Energie innovativ umgehen müssen. Der Vortrag wurde auf Youtube bereits mehr als 2500 mal angesehen.
Mangel an integrativem Ansatz: Warum die aktuelle Wirtschafts- und Wissenschaftsstruktur keine ganzheitliche Lösung für globale Probleme bietet
Die derzeitige Wirtschafts- und Wissenschaftssystem fördert reduktionistisches Fachwissen, und es fehlt ein integrativer Ansatz zur Lösung der Probleme der Welt. Zwar gibt es eine Vielzahl von Experten, die über verschiedene Themen diskutieren, aber eine zusammenhängende Lösung fehlt noch. Nate hat sich zum Ziel gesetzt, ein umfassendes Verständnis für die gegenwärtige Lage unseres Planeten zu entwickeln: Wir kombinieren Energie und Materialien, um Produkte herzustellen, die zu Abfall und Verschmutzung führen.
Die Bedeutung von Energie für die Wirtschaft und Gesellschaft
Energie ist sowohl für die Natur als auch für die menschliche Gesellschaft von grundlegender Bedeutung, da jedes Produkt, das zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, Energie benötigt, um erzeugt, hergestellt, transportiert, gewartet und entsorgt zu werden. Auch eine überwältigende Mehrheit aller Dienstleistung benötigt originär eine Infrastruktur und damit Energie und Materialien, dazu zählen insbesondere digitale Dienstleistungen, wie Streaming Angebote. "Ohne Energie ist ein menschlicher Körper eine Leiche, ein technisches Gerät ohne Energie ist eine Skulptur, und eine Stadt ohne Energie ist ein Museum." Gegenwärtig entspricht ein Barrel Öl einem Arbeitspotenzial von 1.700 kWh, was 4,5 Jahre menschlicher körperlicher Arbeit entspricht.
In der Geschichte der Industrialisierung ging es darum, eine große Menge an Energie hinzuzufügen, um manuelle Aufgaben zu ersetzen. Der Einsatz vollautomatischer Melkmaschinen beispielsweise erfordert 400-mal mehr Energie als das Melken von Hand, sorgt aber für höhere Löhne durch höhere Gewinne pro Stunde. Dieses Konzept funktioniert jedoch nur, solange Energie (d.h. fossile Arbeit) billig ist! Energiepreiserhöhungen führen zu drastischen Gewinneinbußen bei energieintensiven Prozessen und Industrien, wie in Deutschland zu beobachten ist. Energiekosten in die Höhe schießen und führen zu Verlusten für viele Industrien, die stark vom Einsatz automatisierter, energie- und stromintensiver Maschinen und Prozessen abhängig sind, wie z.B. Chemieanlagen.
Wirtschaftswachstum und Energieblindheit: Die Täuschung durch den Wert von Energie in der menschlichen Wirtschaft
In den letzten Jahrzehnten sind die Löhne und Gewinne gestiegen, während die Preise für Waren stetig gesunken sind, was zu einem Wirtschaftswachstum und einer wachsenden Bevölkerung geführt hat. Die menschliche Wirtschaft besteht heute aus der Anzahl der Menschen, multipliziert mit dem durchschnittlichen Verbrauch pro Person – tausendmal größer als noch vor fünf Jahrzehnten! Ökonomen setzen fälschlicherweise den Wert von Energie mit dem Wert der produzierten Güter gleich. Der Wert von Kohle, Öl usw. im Wert von 1.000€ entspricht jedoch nicht dem Wert von 1.000€ an Waren. Indem wir Energie als eine weitere Ware betrachten, geben wir uns der Energieblindheit hin und verwechseln den Eurowert der Energie mit dem Arbeitswert, den sie uns liefert, ohne die Kosten der Umweltverschmutzung zu berücksichtigen.
Erdöl als Motor der Wirtschaft und dessen unvermeidliche Erschöpfung
Aufgrund der weltweiten Abhängigkeit vom Transportwesen ist Erdöl derzeit praktisch der Motor der Wirtschaft. Trotz der Behauptungen, dass die Technologie die Erschöpfung des Erdöls überwindet, scheint die vollständige Erschöpfung unvermeidlich. Die US-Ölproduktion erreichte 1970 ihren Höhepunkt, ging bis 2007 zurück und wird derzeit mithilfe neuer Technologien wie Fracking, Horizontalbohrungen usw. vorübergehend gebremst. Das Narrativ "Drill baby drill!" und die Realität "We're drain America first!" stimmen nicht überein. Die Bohrlöcher erschöpfen sich immer schneller, und wenn die USA heute die Bohrungen einstellen, wird die nationale Produktion im ersten Jahr um 37 % und danach kontinuierlich im zweistelligen Prozentbereich zurückgehen, da BIP und Energie eng miteinander verknüpft sind.
Obwohl der kohlenstofffreie Energieeinsatz schneller wächst als die Wirtschaft, wird dies nicht ausreichen, um unseren steigenden Energieverbrauch auszugleichen. Seit 1995 sind wir bei der Nutzung von Energie um 33 % effizienter geworden, aber unser Energieverbrauch ist um 50 % gestiegen, was zeigt, dass Technologie nicht zu einem geringeren Energieverbrauch (relative statt absolute Entkopplung) führt.
Bedeutung für die Transformation zu einer regenerativen Wirtschaft
Was kann angesichts des Ausmaßes der Herausforderung, vor der wir stehen, getan werden, um zu einer regenerativen Wirtschaft überzugehen? Eine, die sich nicht auf die nicht nachhaltige Gewinnung von Ressourcen stützt und die Gesundheit des Planeten und seiner Bewohner in den Vordergrund stellt?
Erstens müssen wir uns von dem reduktionistischen Ansatz lösen, der unser Denken in der jüngeren Geschichte dominiert hat. Stattdessen müssen wir einen integrativen Ansatz verfolgen, der die komplexen Wechselbeziehungen zwischen allen Aspekten der Welt, in der wir leben, berücksichtigt. Das bedeutet, dass wir Experten aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen müssen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, die allen zugutekommen.
Zweitens müssen wir unseren Schwerpunkt weg vom BIP als primärem Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg verlagern. Wie Nate betont, berücksichtigt das BIP nicht die Kosten, die mit der Umweltverschmutzung und der Erschöpfung der Ressourcen verbunden sind. Stattdessen müssen wir uns auf die Entwicklung neuer Messgrößen konzentrieren, die den wahren Wert unserer Wirtschaftstätigkeit erfassen, wie z.B. den Genuine Progress Indicator (GPI).
Drittens müssen wir erkennen, dass wir unsere Wirtschaft nicht weiter auf fossile Brennstoffe stützen können. Stattdessen müssen wir zu einem neuen Energiesystem übergehen, das sich auf erneuerbare Energiequellen wie Wind, Sonne und Erdwärme stützt. Dies wird erhebliche Investitionen in die Infrastruktur sowie in Forschung und Entwicklung erfordern, aber die Vorteile für die Umwelt und die menschliche Gesundheit werden enorm sein.
Viertens müssen wir erkennen, dass grünes Wachstum ein Mythos ist, dem wir nur allzu gerne folgen, da er uns vermittel, es könnte ein weiter so bei Konsum und Wirtschaftswachstum geben. Da wir die fossile Energie aus dem Wirtschaftssystem schnellstmöglich nehmen und durch nicht fossile Energieformen ersetzen müssen, stehen wir vor einer Zeit der Energieknappheit. Diese wird dazu führen, dass sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft Entscheidungen wird treffen müssen, für welche Güter und Dienstleistungen wir Energie aufbringen wollen bzw. müssen und für welche nicht!
Schließlich müssen wir erkennen, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem auf der nicht nachhaltigen Entnahme von Ressourcen aus der Natur und der Erdkruste beruht. Stattdessen müssen wir zu einer regenerativen Wirtschaft übergehen, die die Gesundheit des Planeten und seiner Bewohner in den Vordergrund stellt. Das bedeutet, dass wir in eine regenerative Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft investieren und neue Technologien entwickeln müssen, die es uns ermöglichen, im Einklang mit der Natur zu leben, anstatt sie auszubeuten.
Fazit
Der Vortrag von Nate Hagens in der zweiten Folge der GITA Master Series erinnert eindringlich daran, dass unser derzeitiges „fossiles“ Wirtschaftssystem nicht nachhaltig ist. Die Weltbevölkerung hat in den vergangenen 150 Jahren jedes Jahr mehr Energie verbraucht, und die natürlichen Ressourcen der Erde immer schneller ausgebeutet. Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen, ein endliches und kein unendlich weiterlaufendes Modell, basierend auf Wirtschaftswachstum.
Nates Vortrag gibt jedoch auch Hoffnung für die Zukunft. Indem wir einen integrativen Ansatz verfolgen, unseren Fokus weg vom BIP verlagern, auf erneuerbare Energien umsteigen und regenerative Wirtschaftspraktiken einführen, können wir eine nachhaltigere und gerechtere Welt für künftige Generationen schaffen.
Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind beträchtlich, aber wenn wir zusammenarbeiten und uns eine neue Denkweise zu eigen machen, können wir eine bessere und nachhaltigere Zukunft für alle schaffen. Um diese Herausforderungen meistern zu können und kohärente und konsequente Entscheidungen treffen zu können, werden wir, wie Nate bemerkt, einen neues Gesellschaftsvertrag schließen müssen. Mit der Initiative Regenerative Marktwirtschaft machen wir das Angebot einen solchen Vertrag zu entwickeln.
Regenerative Grüße
Weitere Vorträge im Rahmen der Serie werden von Simon Michaux, John Fullerton, Timothee Parrique, Jeremy Lent, Jim Rutt, Jordan Hall, Daniel Christian Wahl, Tyson Yunkaporta, Daniel Schmachtenberger, Kate Raworth und Mariana Bozesan alle zwei Wochen in unserem Blog veröffentlicht.
Sollte es Interesse an der Teilnahme der Serie geben, dann nehmt gerne mit uns Kontakt auf. Der Kreis der Teilnehmer ist beschränkt.