8. These: Um ein friedvolles Zusammenleben zu ermöglichen, müssen wir individuelle Entfaltung, Selbstwirksamkeit und Solidarität strukturell fördern.
Ziel: Die menschliche Entfaltung und Selbstwirksamkeit fördern
Wie immer treffen wir uns am Freitag (16.12) um 12:45 - 14:15 in Zoom (Link zum Beitreten) um diese These zu diskutieren - hier klicken zum Anmelden. Die Aufnahmen der bisherigen Diskussionen sind hier zu finden.
DIE AUSGANGSLAGE:
Unsere freiheitliche, demokratische, liberale und soziale Grundordnung wird vom Ballast des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs der letzten Jahrzehnte erdrückt. Interessengruppen verteidigen ihre Pfründe und den daraus resultierenden Wohlstand “nach hinten”, indem sie versuchen, ihre Privilegien und Vergünstigungen der Vergangenheit zu verteidigen und zu konservieren, anstatt “nach vorne”, wodurch die Voraussetzungen für den Wohlstand zukünftiger Generationen gewährleistet werden könnte.
Neben dem Konflikt der Verteidigung des Wohlstandes und dessen Verteilung geht es zwischen den Generationen jedoch mittlerweile um weit mehr, nämlich um den Schutz unserer natürlichen Lebenserhaltungssysteme und damit auch um das Klima als Schlüsselindikator für die Grundlage gedeihlichen Lebens kommender Generationen. Diese Konflikte und deren inhärente Polarisierung von Verlustängsten gegen Zukunftsängste stellt unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung vor eine nie dagewesene Herausforderung bis hin zur Systemkrise.
Diese Systemkrise wird dabei jedoch nicht nur durch die Demokratieverdrossenheit deutlich, in der die Legitimation der demokratischen Institutionen und deren Amtsträger zunehmend infrage gestellt wird, sondern auch durch die zunehmende Frustration gegenüber einer Bürokratie, die immer weniger als ein Dienstleister und Ermöglicher für den Bürger und dessen gemeinnützigen und profitorientierten Unternehmungen zu agieren scheint.
Unsere individuelle Freiheit und Demokratie sind auf dem Rückzug, ja sogar in Gefahr. Durch scheinbare Freiheit bei der individuellen Konsumentscheidung erreichen wir das Gegenteil: Einschränkungen durch die mit dem Klimawandel einhergehenden Veränderungen unserer Habitate (Hitze, Trockenheit und Veränderungen der natürlichen Ökosysteme) schränken unsere menschliche Regenerationsfähigkeit und Entfaltung zunehmend ein. Und die Unsicherheit, ob wir in dem von uns gewählten Habitat in naher Zukunft überhaupt noch Lebensgrundlagen vorfinden, die eine gedeihende Entwicklung ermöglichen, macht die selbstbestimmte Wahl eines Lebensraumes und den Aufbau einer Existenz unmöglich.
Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2021 in einem wegweisenden Urteil verkündet, dass ein unzureichender Klimaschutz gegen die durch das Grundgesetz geschützten Freiheitsrechte kommender Generationen verstößt. Dieses Urteil sollte auf alle natürlichen Lebenserhaltungssysteme (Wasserkreisläufe, Biodiversität, Bodenleben) erweitert werden, da deren Zerstörung ebenso Freiheitsrechte und ein gutes Leben zukünftiger Generationen gefährdet. Es gilt daher, in der Vergangenheit erwirtschafteten Wohlstand dazu zu nutzen, die Freiheit und ein gedeihendes Leben generationenübergreifend zu ermöglichen und damit für zukünftige Generationen zu sichern. Freiheit bedeutet dabei nicht, auf Kosten (Externalitäten) der Gemeinschaft wirtschaften und konsumieren zu können, sondern sein individuelles und gesellschaftliches Leben gemeinwohlorientiert auszurichten.
DIE VISION:
In einer dynamischen Welt gilt es ständig, unzählige Entscheidungen zur Förderung des Lebens zu treffen. In der Regenerativen Marktwirtschaft verhält sich dies ebenso. Daher baut sie auf Entscheidungsstrukturen, die gleichzeitig kohärent und pluralistisch sind und innerhalb derer Entscheidungen zügig und präzise im Einklang mit lokalen und globalen Ebenen getroffen werden können.
Die Menschheit kennt mehrere Grundformen von Entscheidungsfindung:
In hierarchisch organisierten Systemen trifft eine kleine Minderheit Entscheidungen. Während die Nachteile eines solchen Systems aus UNSERER Sicht nicht diskutiert werden müssen, liegt der klare Vorteil einer solchen Entscheidungsstruktur in der Geschwindigkeit, mit der entschieden werden kann. Als Sonderform dieses Systems kann die Meritokratie gesehen werden, in der der Einzelne sich durch positive Beiträge als potentieller Entscheider profiliert.
In demokratischen Systemen trifft die Bevölkerung Entscheidungen anhand von Abstimmungen. Oft wird dabei auch die Entscheidungsmacht selbst durch Wahlen auf wenige zentrale Entscheidungsträger übertragen, um eine ausreichende Geschwindigkeit und Effizienz zu gewährleisten. Dies erfordert ein ausgeklügeltes System an gegenseitigen Kontrollmechanismen, um die Machtverteilung zwischen den Akteuren in Balance zu halten.
In konsensorientierten Systemen entscheiden alle Beteiligten gemeinsam mithilfe oft langwieriger Diskurse und Dialogprozesse. Während der Nachteil auf der Hand liegt, besteht der Vorteil hierin, dass eine Entscheidung von allen Beteiligten getragen wird.
Jedes dieser Systeme hat seine individuellen Vorzüge und Nachteile. Betrachtet man sie als Werkzeuge für verschiedene Zwecke, lassen sie sich zu einem größeren Ganzen kombinieren, dessen Entscheidungsfindungsprozesse in Einklang mit der Regenerativen Marktwirtschaft funktionieren.
Aus der Bevölkerung eines bestimmten physischen Radius wie einer Kommune, einer Region, eines Landes oder des Planeten werden Menschen per Los zufällig ausgewählt, um Teil eines Rates zu werden, der mittels konsensorientierter Diskurse und Dialoge grundlegende Entscheidungen trifft, die für den jeweiligen Radius von Relevanz sind.
Infolge der getroffenen Entscheidungen werden Expertengruppen mit der Umsetzung von klar definierten Projekten beauftragt. Diese Gruppen sind nach meritokratischen und hierarchischen Prinzipien organisiert, um eine hohe Geschwindigkeit zu gewährleisten, werden aber vom Rat kontrolliert.
Jeder Mensch hat die Möglichkeit, einen Prozess anzustoßen, in dem eine bestimmte Entscheidung im Zuge einer Wahl getroffen oder abgeändert wird, wodurch die Bevölkerung die Kontrolle über die Räte und Expertengruppen behält.
Auf diese Weise hat jeder Mensch Anteil an lokalen und globalen Entscheidungsprozessen und ist befähigt und in der Pflicht, das eigenes Schicksal aktiv mitzubestimmen.
EIN BEISPIEL:
Überraschenderweise war die Wiege unserer Demokratie, das antike Athen, auf ähnliche Weise organisiert. Dort wurden die Mitglieder der diversen politischen Gremien per Losverfahren ausgewählt.
Heutzutage beginnen Regierungen der westlichen Demokratien wieder, mit diesen Ideen zu experimentieren. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die “Convention Citoyenne pour le Climat“ in Frankreich. Diese besteht aus 150 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die 149 Empfehlungen beschließen und aussprechen, welche von der französischen Regierung anschliessend in Regularien und Gesetze formuliert werden sollen.