6. THESE: Um die Ausbeutung natürlicher Systeme zu verhindern, muss sich Regeneration auch in unseren technologischen Innovationen widerspiegeln.
ZIEL: Sich Technologie im Sinne der Regenerativen Marktwirtschaft zunutze machen
Wie immer treffen wir uns am Freitag (2.12) um 12:45 - 14:15 in Zoom um diese These zu diskutieren - hier klicken zum Anmelden. Die Aufnahmen der bisherigen Diskussionen sind hier zu finden.
DIE AUSGANGSLAGE
Die Genese der Technologie beginnt mit dem aufrechten Gang, dank dessen unsere Vorderpfoten nicht mehr länger als Instrument der Fortbewegung dienen mussten. In weiterer Folge entwickelte sich unser dicker Vorderzeh in ein Greifwerkzeug, den Daumen. Mit seiner Hilfe konnte der Mensch Dinge greifen, mit Steinen Nüsse knacken, mit spitzen Stöcken Fische aufspießen und somit viele schwierige Aufgaben leichter erledigen.
Irgendwann fingen besonders findige Vorfahren damit an, mehrere Dinge zu einem großen Ding zu verbinden, zum Beispiel zu einer Falle. Dies war der Geburtsmoment von Technologie. Oder besser, des Technium, wie Kevin Kelly ehemaliger Herausgeber von WIRED Magazine es in seinem Buch "What Technology Wants" nennt. Kelly beschreibt das Technium als eine Spezies, die in Symbiose mit unserer Spezies heranwächst.
Mensch und Technologie scheinen inhärent miteinander verbunden. Die lebensvereinfachende, ja lebensbejahende und oftmals das Leben erst ermöglichende Kraft von Technologie hat uns insbesondere seit der Entdeckung kostengünstiger Energie unglaublichen Wohlstand beschert. Dies ist vor allem auf die einfache Transportierbarkeit von Technologie über Kulturtechniken wie Sprache, Bild und Schrift zurückzuführen. Sobald die Wirkungsweise der ersten Falle von einem zweiten Menschen verstanden worden war, konnte sich die Idee der Falle und damit das technologische Konzept "Falle" wie ein Lauffeuer verbreiten. Technologie ist die Grundlage für "exponentielles Wachstum”.
Dieses Wachstum bezieht sich nicht nur auf die Ausbreitung von Technologien, sondern auch auf die mit ihnen einhergehenden Möglichkeiten. Während wir bei der Geburt des Technium nur auf wenige Bausteine wie Stöcke, Steine oder natürliche Fasern Zugriff hatten, steht UNS heute eine unglaubliche Menge an Materialien und Bauelementen zur Verfügung. Die theoretische Kombination der bestehenden Bauteile resultiert in einer kombinatorischen Explosion, die Stuart Kauffman "Theory of the adjacent possible" nennt.
Dank der Möglichkeit zur schnellen Verbreitung von Technologie und des enormen Potentials, welches sie durch Rekombination entfalten kann, konnten wir unseren Daumen zu einem allmächtigen Werkzeug entwickeln. Heutzutage ist es buchstäblich einem einzelnen Menschen möglich, das Leben auf unserem Planeten, wie wir es kennen, zu zerstören. Um Daniel Schmachtenberger zu paraphrasieren: WIR haben die Macht von Göttern, ohne deren Weisheit und Liebe.
Um diese Macht für die Schaffung und Erhaltung eines gedeihlichen Lebens einzusetzen, ist es wichtig, die Möglichkeiten von Technologie an den Anfang zu stellen und mit der gewünschten Wirkung zu beginnen. Technologie (wie auch die Marktwirtschaft) ist nicht wertneutral und kann für Gutes wie Schlechtes eingesetzt werden. Nur wenn WIR die Grundlagen geschaffen haben, indem WIR uns unsere gewünschte Wirkung vor Augen führen und sie für andere artikulieren, können WIR zwischen Gutem und Schlechtem unterscheiden. Allein wenn WIR uns von der Wirkung einer Technologie leiten lassen, können WIR zwischen deren Möglichkeiten auf der einen Seite und deren Sinnhaftigkeit und ethisch definiertem Nutzen auf der anderen unterscheiden und auf völlig neue Lösungen im Schatten der Zukunft stoßen (der „shadow future“, wie Kauffmans Theorie auch manchmal genannt wird).
DIE VISION
In der Regenerativen Marktwirtschaft wird Technologie bewusst eingesetzt, um die Bedürfnisse und Wünsche der Menschheit in Einklang mit der restlichen Natur und den planetaren Grenzen zu bringen und die Balance langfristig zu erhalten.
Die Natur hat elegante Lösungen für viele Problematiken entwickelt, die der Mensch noch sehr brutal löst. Anstatt beispielsweise ganze Landstriche zu verwüsten, um an rare Erden zu kommen, sind Hyperakkumulatoren – Pflanzen, die gezielt bestimmte Stoffe aus dem Erdreich in sich aufnehmen – in der Lage, dasselbe ganz sanft zu tun. So könnten rare Erden auf einem Feld geerntet werden und Ökosysteme bewahrt werden. Wir nennen eine solche Technologie “physiagogisch” – “Physiagogik” ist eine Wortschöpfung, die sich aus den altgriechischen Begriffen für Wachstum (“physis”) und Anleiten (“agogik”) zusammensetzt. Gemeint ist damit also “das Anleiten natürlichen Wachstums”.
Auch die Umwandlung von Sonnenlicht in nutzbare Energie wird von Pflanzen wesentlich besser genutzt, als es uns Menschen bisher gelungen ist. Beispielsweise sind sich von Sonne und Wasser nährende Mikroorganismen in der Lage, mithilfe von Sand und Staub qualitativ hochwertige Materialien zu erzeugen, die mit Stahl und Aluminium konkurrieren können.
Dieses (im doppelten Sinne) „Vermögen“ der Natur zu nutzen und zu entwickeln, ist ohne den gezielten Einsatz wissenschaftlicher Methoden nicht denkbar. In der Regenerativen Marktwirtschaft finanziert daher die Gesellschaft die Entwicklung der Grundlagen solcher Technologien.
Ein zweites wesentliches Attribut solcher naturnahen Technologien ist die Kostenneutralität ihrer Skalierung und Verbreitung. Dies macht sich die Regenerative Marktwirtschaft zunutze, um die Verbreitung lebensfördernder Technologien schnell und ohne Kosten für jeden Menschen an jedem Ort der Erde zu realisieren.
Die Ziele und Werte einer Regenerativen Marktwirtschaft definieren gleichzeitig auch die erstrebenswerte Entwicklungsrichtung und den gewünschten Nutzen einer Technologie und deren Anwendung in einem Produkt. Verbraucht beispielsweise eine Technologie mehr natürliche Ressourcen und Energie als eine im Ergebnis vergleichbare Lösung, z. B. die maschinelle Bindung von CO2 im Vergleich zu einem Baum, dann erhöht diese unseren Ressourcenverbrauch und kann damit trotz der positiven Intention nicht als regenerativ betrachtet werden!
EIN BEISPIEL
Wissenschaftler an den Universitäten von Cambridge und Mailand haben einen Weg gefunden, die Photosynthese der ungiftigen Algenart Synechocystis zur Erzeugung von ausreichend Strom zu nutzen, um einen Mikroprozessor damit zu betreiben. Die Apparatur der Größe einer AA Batterie, bestehend aus wenigen und einfach recyclebaren Materialien, erzeugt Strom aus Umgebungslicht, Algen und Wasser.